Akutes Atemnotsyndrom (ARDS)
Herausforderung bei Diagnose und Behandlung von ARDS
Die Herausforderung
ARDS ist ein Syndrom, das offenbar selten erkannt, unterbehandelt und mit einer hohen Sterblichkeitsrate verbunden ist. ARDS schreitet progressiv fort und es besteht ein Behandlungsfenster zur frühzeitigen Behandlung, das genutzt werden kann.[1]
Gemäß der Berlin-Definition ist unter ARDS eine akute, diffuse, entzündliche Lungenschädigung zu verstehen, die zu erhöhter pulmonalvaskulärer Permeabilität, hohem Lungengewicht und Verlust von luftgefülltem Gewebe führt. Das Syndrom geht mit einer hohen Mortalität einher und kann verschiedene Ursachen haben.
Die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit ARDS ist kompliziert, mit langen Krankenhausaufenthalten verbunden und verbraucht erhebliche Ressourcen im Gesundheitswesen.[2] ARDS scheint in Bezug auf den Einsatz empfohlener Ansätze bei der maschinellen Beatmung und die Verwendung einiger Begleitmaßnahmen unterbehandelt zu sein. Diese Ergebnisse zeigen ein Verbesserungspotenzial bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit ARDS.[1]
Die aktuellen Empfehlungen
American Thoracic Society/European Society of Intensive Care Medicine/Society of Critical Care Medicine
Clinical Practice Guideline:
Mechanical Ventilation in Adult Patients with Acute Respiratory Distress Syndrome[5],[6]
Behandlung |
Empfehlung |
Stärke der Empfehlung |
Maschinelle Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina und Inspirationsdrücken |
Es wird empfohlen, dass erwachsene Patientinnen und Patienten mit ARDS eine maschinelle Beatmung mit einem begrenzten Tidalvolumen von 4 bis 8 ml/kg PBW und inspiratorischen Plateaudrücken < 30 cmH2O erhalten. |
Starke Empfehlung mit mittlerem Vertrauen in die voraussichtliche Wirkung |
Bauchlagerung |
Es wird empfohlen, dass erwachsene Patientinnen und Patienten mit schwerem ARDS mehr als 12 Stunden pro Tag in Bauchlage gelagert werden. |
Starke Empfehlung mit mittlerem bis hohem Vertrauen in die voraussichtliche Wirkung. |
Hoher PEEP vs. niedriger PEEP |
Es wird vorgeschlagen, dass Patientinnen und Patienten mit mäßigem oder schwerem ARDS tendenziell einen höheren PEEP erhalten sollten. |
Bedingte Empfehlung mit mittlerem Vertrauen in die voraussichtliche Wirkung. |
Recruitment-Manöver (RMs) |
Es wird vorgeschlagen, bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit ARDS RMs durchzuführen. |
Bedingte Empfehlung mit mittlerem Vertrauen in die voraussichtliche Wirkung. |
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) |
Zusätzliche Nachweise sind erforderlich, um eine endgültige Empfehlung für oder gegen ECMO bei Patientinnen und Patienten mit schwerem ARDS abzugeben. |
Es werden fortlaufende Forschungen zur Messung der klinischen Ergebnisse schwerer ARDS-Patienten, die ECMO erhalten, empfohlen. |
Es ist wichtig, den Volumenstatus zu kennen
Täglich stehen die Ärztinnen und Ärzte auf der Intensivstation bei Patientinnen und Patienten mit Kreislaufversagen und beeinträchtigter Lungenfunktion diesem therapeutischen Dilemma gegenüber: Soll eine Flüssigkeitsgabe verordnet werden?
Im Falle eines schweren ARDS in Verbindung mit einem Schock wurde vorgeschlagen, die Verwendung fortschrittlicher Überwachungsgeräte in einer früheren Phase in Betracht zu ziehen, um die Bestimmung eines logischen therapeutischen Ansatzes zu unterstützen.
Das Ziel der Beatmung
„Ziel der mechanischen Beatmung bei Patientinnen und Patienten mit ARDS ist es, den Gasaustausch
aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Komplikationen wie beatmungsbedingte Lungenschädigung
(VILI), beatmungsbedingte Pneumonie (VAP) oder beatmungsbedingte
Zwerchfellfehlfunktion (VIDD) zu vermeiden.“[5]
Diagnose eines Lungenödems am Patientenbett
ARDS zeichnet sich durch ein Lungenödem, Flüssigkeitsansammlung im Interstitium des Lungengewebes und/oder den Alveolen, aus. Dies führt zu einem gestörten Gasaustausch und kann sogar ein Lungenversagen verursachen. Das Ausmaß des Lungenödems kann ganz einfach bettseitig durch eine Messung des extravaskulären Lungenwasserindex (ELWI) quantifiziert werden. Die nächste wichtige Frage lautet: Was ist die Ursache des Lungenödems? Eine Differentialdiagnose ermöglicht der pulmonalvaskuläre Permeabilitätsindex (PVPI). Bei einem kardial bedingten Lungenödem wird eine negative Flüssigkeitsbilanz angestrebt, während bei einem permeabilitätsbedingten Lungenödem die Bekämpfung der Entzündungsursache im Vordergrund steht.
ECMO bei ARDS
Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) bei schwerem akuten Atemversagen wurde vor mehr als 40 Jahren erdacht.[10] Seitdem haben technologische Verbesserungen die ECMO sicherer und einfacher in der Anwendung gemacht, so dass sie bei akutem Atemversagen in größerem Umfang eingesetzt werden kann.[11]
VV-ECMO ist zur bevorzugten Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Atemversagen geworden, die refraktär gegenüber optimaler maschineller Beatmung und konventioneller medizinischer Behandlung sind.[12]
Extrakorporale Membranoxygenierung
bei schwerem akutem Atemnotsyndrom
Die EOLIA-Studie
Die Wirksamkeit der veno-venösen extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) bei Patientinnen und Patienten mit schwerem akuten Atemnotsyndrom (ARDS) bleibt kontrovers. [13] Die EOLIA-Studie wurde entwickelt, um die Wirkung einer frühzeitigen Initiierung der ECMO bei Patientinnen und Patienten mit den schwersten ARDS-Formen zu ermitteln.[1]
Frühzeitige ECMO
35 % Sterblichkeit
(44/124)
249 Patienten
124 erhielten sofortige vv-ECMO und
125 weitere konventionelle Behandlungen
Herkömmliche Beatmung*
46 % Sterblichkeit
(57/125)
* ggf. mit ECMO als Rettung
Veröffentlicht: Combes et al, New England Journal of Medicine 2018; 378:
Die Wirksamkeit der venovenösen extrakorporalen Membranoxygenierung (vv-ECMO) bei Patientinnen und Patienten mit schwerem akutem Atemnotsyndrom (ARDS) bleibt kontrovers. Die EOLIA-Studie wurde entwickelt, um die Auswirkungen einer frühzeitigen Initiierung der ECMO bei Patientinnen und Patienten mit den schwersten ARDS-Formen zu ermitteln.